Landgericht fordert Ergänzung der Geschlechtsangabe bei der Deutschen Bahn

Pressemeldung des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG) 

P R E S S E M E L D U N G 

Landgericht fordert Ergänzung der Geschlechtsangabe bei der  Deutschen Bahn  

Am Donnerstag, dem 03.12.2020, verkündete das Landgericht Frankfurt/M. ein Urteil bezüglich  der Diskriminierung einer nicht-binären trans* Person. Die klagende Person, die sich weder dem  männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnet, hatte über die Webseite der Deutschen  Bahn (DB) eine Fahrtkarte gekauft. Diese ermöglicht nur eine weibliche oder männliche  Registrierung und verhindert es die Fahrkarte zu buchen, wenn man sich nicht einem der beiden  Geschlechter zuordnet. Das Gericht hat die Praxis in seinem Urteil als  Persönlichkeitsrechtsverletzung eingestuft, sieht jedoch keine Diskriminierung.  

Am 16. Oktober 2019 wollte die klagende Person, die eine nicht-binäre  Geschlechtsidentität besitzt und sich sowohl im sozialen Kontext, als auch im beruflichen  und sonstigen Rechtsverkehr als Person ohne männliches oder weibliches Geschlecht  empfindet, eine Fahrtkarte von Berlin nach Braunschweig auf der Webseite der DB  buchen. Sie legte Klage wegen Diskriminierung ein.  

In der sogenannten Dritten-Option-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vom  10.10.2017 – 1 BvR 2019/16) bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass das  allgemeine Persönlichkeitsrecht (nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) die  geschlechtliche Identität schützt. Es erweitert den Schutzradius vor  Geschlechtsdiskriminierungen (nach Art. 3 Abs. 3 GG) indem explizit klargestellt wird,  dass dies auch für geschlechtliche Identitäten jenseits von männlich und weiblich gilt. Die  Folge daraus ist, dass Anbieter*innen von Waren oder Dienstleistungen ihre Webseiten  und die daran anknüpfenden Datensätze wie Bestellbestätigungen, Rechnungen oder  Versandmitteilungen im Kund*innenkontakt entsprechend anpassen müssten. Die Lösung  wäre neben der Registrierung der männlichen und weiblichen Ansprache zwei weitere  Optionen anzubieten. Eine sollte eine positive dritte Option (wie divers) anbieten. Eine  weitere sollte den Geschäftskontakt, ohne eine Geschlechtsangabe anzugeben,  ermöglichen.  

Im Nachgang zur Verhandlung, die am 24.09.2020 stattgefunden hatte, wurde gestern das  Urteil verkündet. Die Urteilsbegründung steht noch aus. Das Gericht entschied in seinem  Urteil (Az. 2-13 O 131/20) der klagenden Person teilweise Recht zu geben. Die Person  könne von einem Eisenbahnunternehmen verlangen bei der Nutzung des Angebotes nicht  zwingend die männliche oder weibliche Anrede angeben zu müssen. Eine Entschädigung  wies das Gericht jedoch zurück, da nach seiner Einschätzung ein Anspruch nach dem  Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht gegeben sei. 

Die klagende Person René_ Rain Hornstein äußerte: „Die Anerkennung des Gerichtes, eine  geschlechtsneutrale Ansprache nun im Kund*innenkontakt verlangen zu können, begrüße  ich. Dennoch ignoriert das Gerichtsurteil die Schwere der alltäglich gemachten  Diskriminierungserfahrungen von trans* und nicht-binären Personen.“  

Die vertretende Anwältin Friederike Boll äußerte: Dass das Verhalten der DB keine  Diskriminierung im Sinne des AGG darstellen soll, entspricht nicht unserer  Rechtsauffassung. Das Vorkommnis wird regelmäßig und wiederholt von trans* und nicht binären Personen erlebt und ist keine Lappalie.“  

Das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG), das die Klage als Beistand  begleitet, sieht das Urteil kritisch. Die Geschäftsführerin Vera Egenberger schätzt ein:  „Eine Diskriminierung im Sinne des AGG ist auch dann gegeben, wenn keine Absicht oder  Böswilligkeit vorliegt. Ein Berufungsgericht wird prüfen, ob dieses Urteil Bestand hat.“  

Seit 2019 werden vermehrt Beschwerden und Klagen, mit der Unterstützung des BUG, bei  Beschwerdestellen und Gerichten vorgelegt. Dies zielt darauf ab die geltende  Rechtsprechung, konkret die Möglichkeit neben der männlichen und weiblichen  Ansprache, auch eine geschlechtsneutrale Ansprache bei Online-Kund*innenkontakten zu  ermöglichen, durchzusetzen.  

3.780 Zeichen – 04.12.2020 

Kontakt:
Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG)
Vera Egenberger
Telefon: 01577 522 17 83

Du kannst René_s Klage über den Paypal MoneyPool der TIN-Rechtshilfe finanziell unterstützen: https://www.paypal.com/pools/c/8rfRLITdKC

Bei Fragen oder Anmerkungen wende dich gerne an: info (at) tinrechtshilfe.de

Das könnte dich auch interessieren …