Unsere Stellungnahme zum SBGG Entwurf
Die TIN-Rechtshilfe hat fristgerecht zum Referent*innenentwurf des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) durch die Bundesministerien für Familie und für Justiz Stellung genommen.
Unsere zentralen Forderungen für eine Überarbeitung finden Sie folgend und hier können Sie die gesamte Stellungnahme als PDF herunterladen: Stellungnahme TIN-Rechtshilfe SBGG
I. Überblick über zentrale Forderungen der TIN-Rechtshilfe
1. Positive Aspekte des SBGG
Die TIN-Rechtshilfe begrüßt ausdrücklich das Vorhaben der Vereinheitlichung, Entbürokratisierung und Selbstbestimmung der Änderung des Geschlechtseintrags und Vornamens für alle trans*, inter* und nicht-binären Personen über eine Selbsterklärung gegenüber dem Standesamt. Wir begrüßen die Abschaffung des TSGs und die Abschaffung der Voraussetzung in § 45 b Abs. 3 PStG für inter* Personen, eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Durch das SBGG wird dann nicht mehr nach geschlechtlichen Gruppen differenziert und für alle geschlechtlichen Gruppen gelten dieselben Voraussetzungen. Dies schließt auch ausländische Staatsangehörige ein, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben und ungeachtet ihres Heimatrechts die deutschen Regelungen zur Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen nutzen können.
2. Zentrale Forderungen zur Änderung des SBGGs
Schutz der Geschlechtsidentität unabhängig vom Geschlechtseintrag: Die TIN-Rechtshilfe kritisiert die Festsetzung der Maßgeblichkeit des aktuellen personenstandsrechtlichen Vornamens und Geschlechtseintrags gemäß § 6 Abs. 1 SBGG. Diese und andere Regelungen im SBGG verschlechtern die aktuelle Lage, da sie eine Unterscheidung zwischem einem vermeintlich biologischem Geschlecht und der Geschlechtsidentität einführen. Wir fordern, dass im SBGG klargestellt und berücksichtigt wird, dass die Geschlechtsidentität und der Ausdruck derselben verfassungsrechtlich geschützt sind, unabhängig davon, ob sie sich im Geschlechtseintrag im Personenstandsregister widerspiegelt.
Keine Verweise auf Hausrecht und Selbstregelungsrecht des Sports: Wir fordern die Streichung von § 6 Abs. 2 und Abs. 3 SBGG. Die Absätze haben keinen eigenen Regelungsgehalt, können jedoch als Rechtfertigung für diskriminierendes Verhalten wie das “Infragestellen” der Geschlechtsidentität einer Person sowie Ausschlüsse von trans*, inter* und nicht-binären Personen herangezogen werden.
Selbstbestimmte Elternrolle: Wir fordern, dass § 11 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SBGG gestrichen werden, welche die Eltern-Kind-Zuordnung regeln. Wir kritisieren ausdrücklich, dass bei der Zuordnung eines Kindes zu einem trans*, inter* oder nicht-binären Elternteil dem vermeintlich biologischen Geschlecht Vorrang vor dem selbstbestimmten Geschlecht gegeben wird. Stattdessen müsste jeder Elternteil selbstbestimmt wählen können, welche Elternrolle er einnehmen möchte.
Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen: Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass gesetzliche Vertretungspersonen die Geschlechtsidentität von Kindern besser einschätzen können, als das Kind selbst. Wir fordern daher die Neuregelung der § 3 Abs. 1 und 2 SBGG dahingehend, dass auch Jugendliche unter 18 Jahren, sowie Kinder unter 14 Jahren die Erklärung gem. § 2 SBGG selbstständig ohne Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertretungspersonen abgeben können.
Keine Wartezeit: Die Regelung des § 4 SBGG sieht eine Wartezeit von drei Monaten vor der Wirksamkeit der Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag vor und spricht damit trans*, inter* und nicht-binären Personen die Anerkennung ihrer selbstbestimmten Geschlechtsidentität ab. Der Paragraph muss daher gestrichen werden.
Outingschutz öffentlich bekannter Menschen: Wir kritisieren, dass trans*, inter* und nicht-binäre Personen, die als solche in der Öffentlichkeit bekannt sind, beispielsweise geoutete Politiker*innen oder Aktivist*innen, nicht durch §§ 13 und 14 SBGG vor immer wieder auftretenden Nennungen unter ihrem Deadname und vorherigen Geschlechtseintrag geschützt werden.
Keine extra Outingrechte für Verwandte: Wir fordern die Ergänzung des § 13 Abs. 2 SBGG um die Klarstellung, dass Verwandte und derzeitige sowie ehemalige Ehegatt*innen den alten Geschlechtseintrag und den alten Vornamen vor Änderung nur offenbaren dürfen, wenn dies zur Wahrung ihrer eigenen rechtlichen Interessen unerlässlich ist.
Keine Hürden beim Offenbarungsverbot: Wir fordern, dass in § 14 SBGG auf die Tatbestandsvoraussetzung des Entstehens eines materiellen oder immateriellen Schadens aufgrund der Offenbarung verzichtet wird. Ebenso soll auf das subjektive Tatbestandsmerkmal der Schädigungsabsicht verzichtet werden. Außerdem soll auch ein grob fahrlässiger Verstoß gegen das Offenbarungsverbot unter Strafe gestellt werden. Weiter fordern wir, dass grob fahrlässiges Deadnaming, d.h. das Verwenden des abgelegten Vornamens, und Misgendern, d.h. das Verwenden von Pronomen, die der Geschlechtsidentität der betreffenden Person nicht entsprechen, durch § 14 SBGG sanktioniert werden.