PRESSEMELDUNG : Oberlandesgericht spricht Entschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Deutsche Bahn zu

Pressemeldung des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG) 

P R E S S E M E L D U N G 

Oberlandesgericht spricht Entschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Deutsche Bahn zu

Am Dienstag, den 21.06.2022, verkündete das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/M. das Urteil bezüglich der Diskriminierung einer nicht-binären trans* Person. Die klagende Person, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnet, hatte 2019 über die Webseite der Deutschen Bahn (DB) eine Fahrkarte gekauft. Diese ermöglichte nur eine weibliche oder männliche Registrierung und verhinderte es die Fahrkarte zu buchen, wenn man sich nicht einem der beiden Geschlechter zuordnete. Das OLG spricht der klagenden Person nun eine Entschädigung von 1.000,00 € zu.

Im Oktober 2019 wollte die klagende Person, die eine nicht-binäre Geschlechtsidentität besitzt und sich sowohl im privaten Kontext als auch im beruflichen und sonstigen Rechtsverkehr als Person ohne männliches oder weibliches Geschlecht empfindet, eine Fahrkarte von Berlin nach Braunschweig auf der Webseite der DB buchen.

Das Landgericht Frankfurt/M. hatte es in erstinstanzlichen Urteil als diskriminierend eingestuft, dass eine solche Fahrkartenbuchung nur mit einer Geschlechtsangabe und diese wiederum allein unter den Optionen männlich/weiblich möglich war. Es hatte der DB auferlegt, die Webseite, die Fahrkarten und Abwicklungsunterlagen entsprechend anzupassen, sprach der klagenden Person aber keine Entschädigung zu. Die klagende Person hat daher – ebenso wie die beklagte DB – Berufung eingelegt. Die Berufsverhandlung hatte am 31.05.2022 beim Oberlandesgericht Frankfurt/M. (Az. 9 U 92/20) stattgefunden. Hierzu wurde am 21.06.2022 das Urteil verkündet.

In der sogenannten Dritten-Option-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16) bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht (nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) die geschlechtliche Identität schützt und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG entsprechenden Diskriminierungen entgegensteht. Die Folge daraus ist, dass Anbieter*innen von Waren oder Dienstleistungen ihre Webseiten und die daran anknüpfenden Datensätze wie Bestellbestätigungen, Rechnungen oder Versandmitteilungen im Kund*innenkontakt entsprechend anpassen und jedenfalls eine positive dritte Option (wie divers) neben einer vierten Option ohne eine Geschlechtsangabe bei Geschäftskontakt ermöglichen müssen.

Das Gericht entschied heute, dass diese Persönlichkeitsrechtsverletzung mit einer Entschädigung von 1.000,00 € belegt wird. Dies eröffnet anderen Betroffenen gleichermaßen eine Entschädigung von der DB zu verlangen, solange die DB-Webseite nicht entsprechend angepasst ist.

Die klagende Person René_ Rain Hornstein zeigte sich zufrieden: „Ich freue mich, dass das Oberlandesgericht die Rechte von nicht-binären Menschen stärkt. Wir haben ein Recht darauf, ohne diskriminierende Falschansprache Zugtickets zu kaufen. Es ist richtig und wichtig, dass die Deutsche Bahn nun eine Entschädigung zahlen muss, denn mir ist durch die Geschlechtsdiskriminierung ein immaterieller Schaden entstanden, den die Deutsche Bahn anerkennen und nun ausgleichen muss.“

Das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG), das die Klage als Beistand begleitet hat, sieht nun gute Chancen die fortlaufende Diskriminierung durch die DB bald zu beenden. Die Geschäftsführerin Vera Egenberger äußerte: „Dass das Gericht nun eine Entschädigung anerkennt, ist folgerichtig und führt nun hoffentlich dazu, dass die DB nicht erst Ende 2023 ihre Webseite umstellt, sondern wie vom Gericht nun gefordert spätestens bis zum 01.01.2023, sonst droht ein hohes Ordnungsgeld.“

Die vertretende Anwältin Friederike Boll schätzt ein, dass mit dem Urteil ein Stück Rechtssicherheit für nicht-binäre Personen geschaffen wurde: „Alle haben ein Recht auf eine respektvolle, korrekte Anrede. Wenn im Rechtsverkehr diese Anrede verweigert wird – auch als misgendern bezeichnet – ist das eine rechtserhebliche Diskriminierung. Unternehmen müssen mit Unterlassungsansprüchen rechnen und Schmerzensgeld zahlen. Wünschenswert wäre nun, dass auch andere Unternehmen nachziehen und solche Verfahren in Zukunft überflüssig sind.“

Seit 2019 werden vermehrt Beschwerden und Klagen, auch mit der Unterstützung des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V., bei Beschwerdestellen und Gerichten vorgelegt, um diese verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu konkretisieren, um die Möglichkeit – neben der männlichen und weiblichen – auch eine nicht-binäre Ansprache bei Online-Kund*innenkontakten durchzusetzen.

Kontakt bei weiteren Fragen:

Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG)
Vera Egenberger
Telefon: 01577 522 17 83

Die klagende Person steht für Pressegespräche zur Verfügung. Kontakt kann über Vera Egenberger aufgenommen werden.

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